Meldung vom 22.03.2024 / KfW Entwicklungsbank

Tunesien – Wasser ist selten und kostbar

Nachhaltige Nutzung durch Integriertes Wasserressourcenmanagement fördern

Wasserspeicherbecken auf einem ausgetrockneten Feld
Wasserknappheit stellt in vielen Regionen der Welt ein zunehmendes Problem dar.

Der Weltwassertag am 22. März steht in diesem Jahr unter dem Motto „Wasser für den Frieden“. Der von der UN ins Leben gerufene Aktionstag erinnert an die ambitionierten Ziele des SDG 6, welches sich zur Aufgabe macht, die Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser- und Sanitärversorgung für alle Menschen zu gewährleisten. Auch wenn in den letzten Jahren bereits deutliche Fortschritte erzielt wurden, leben im Jahr 2030 voraussichtlich 1,6 Mrd. Menschen dennoch ohne gesicherte Trinkwasserversorgung. Im Auftrag der Bundesregierung setzt sich die KfW gemeinsam mit den Partnerländern für die Erreichung des UN-Entwicklungsziels ein.

Auch Tunesien kämpft um die Verfügbarkeit und gerechte Verteilung von Frischwasserressourcen. Das Land gehört zu den wasserärmsten Regionen der Welt. Immer wieder kommt es zu sozialen Unruhen und Ausschreitungen wegen der vielerorts vorherrschenden Wasserknappheit, was im diesjährigen Motto des Weltwassertages gespiegelt wird: Wasser leistet einen wichtigen Beitrag zum sozialen Frieden. Die KfW unterstützt Tunesien mit zahlreichen Projekten zum integrierten Wasserressourcenmanagement.

Der Wassermangel im Land ist alarmierend: Rechnerisch stehen der tunesischen Bevölkerung pro Kopf jährlich nur rund 450 Kubikmeter Wasser zur Verfügung. Im Vergleich konsumiert jede Person in Deutschland jährlich rund 2.600 Kubikmeter. Damit zählt Tunesien zu den sogenannten "severely water-stressed countries", zu den Ländern, die unter erheblichem Wasserstress leiden. Die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich bereits deutlich: Nach sehr nassen Jahren mit starken Überschwemmungen, die Schäden an der Infrastruktur und landwirtschaftlichen Flächen verursachen, folgen oft trockene Jahre mit andauernder Wasserknappheit. So hat es in den vergangenen vier Jahren deutlich weniger geregnet als üblich. Ein großer Teil der Weizenernte ist vertrocknet, und die Reserven der Staubecken sind auf ein knappes Drittel ihrer Kapazität gefallen.

Gleichzeitig ist die Ressource Wasser in Tunesien zeitlich und regional ungleich verteilt. Während die jährliche Niederschlagsmenge im Norden bei durchschnittlich 1.500 mm liegt, verzeichnet der Süden gerade einmal 150 mm. Dort wird unter anderem auf Wassertransfers und Meereswasserentsalzung gesetzt, um die Bereitstellung von Trinkwasser zu ermöglichen. Doch bisher erreicht die Ressource nicht alle und wird zudem nicht ausreichend effizient genutzt. In veralteten und maroden Leitungsnetzen versickern 25 % des Leitungswassers, in manchen Regionen sogar mehr. Die Tarife für Trinkwasser und Abwasser sind zu niedrig, um kostendeckend zu wirtschaften und die Versorgungsnetze in Stand zu halten, geschweige denn sie auszubauen. Illegale Wasserentnahmen und informelle Brunnen kommen als weit verbreitetes Problem hinzu. Der Grundwasserspiegel sinkt wegen anhaltender Dürren und vielerorts durch Übernutzung. Dies führt auch dazu, dass Grundwasser als Reserve nicht mehr uneingeschränkt zur Verfügung steht.

IWRM als Lösungsansatz

Um ganzheitlich auf diese Situation zu reagieren, ist das Engagement der KfW im tunesischen Wassersektor innovativ und diversifiziert: neben Küstenschutz, Entsalzung, Klärschlamm- und Abwasserwiederverwendung ist IWRM das große Stichwort, an dessen Leitlinien auch die Sektorpolitik der tunesischen Regierung ausgerichtet ist. IWRM steht für "Integriertes Wasserressourcenmanagement" und hat zum Ziel, integrierte Planungsinstrumente für eine nachhaltige Nutzung zu entwickeln und nachhaltige Wassertechnologien an unterschiedliche klimatische, ökologische, ökonomische und soziale Verhältnisse anzupassen. Der IWRM-Ansatz in Tunesien umfasst mit insgesamt rund 1,1 Mrd. Euro zahlreiche Maßnahmen, um Wasser verfügbar zu machen, Wasserverluste zu reduzieren, Speicherkapazitäten zu erhöhen und Wasser, Boden und Küsten nachhaltig zu bewirtschaften. Dies dient nicht nur der Anpassung an den Klimawandel, sondern fördert auch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Die Maßnahmen erreichen rund 4,5 Millionen Tunesierinnen und Tunesier.

Ausbau der ländlichen Trinkwasserversorgung im Norden Tunesiens

Während in den meisten tunesischen Städten nahezu alle Haushalte an Wasserversorgungssysteme angeschlossen sind, fehlt es auf dem Land etlichen Gemeinden an einem sicheren und nahegelegenen Zugang zu Trinkwasser. Obwohl gerade im Norden des Landes vergleichsweise hohe Niederschlagsmengen zu verzeichnen sind, liegen die Anschlussraten in den dortigen ländlichen Gebieten vielerorts unter dem nationalen Schnitt. Auch in den benachteiligten Gebieten des nördlichen Gouvernorats Béja ist die Trinkwasserinfrastruktur nur sehr schwach entwickelt und ermöglicht keine kontinuierliche und hygienisch einwandfreie Trinkwasserversorgung. Die stark von Armut betroffene Bevölkerung ist zur Versorgung zumeist auf unkontrollierte und oft weit entfernt gelegene Quellen angewiesen, mit schwerwiegenden Gesundheitsrisiken und einer nicht zu vernachlässigenden Belastung, aufgrund der häuslichen Rollenverteilung besonders für Frauen.

Vor diesem Hintergrund finanziert die KfW im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in den Provinzen Béja Nord, Amdoun und Nefza seit 2015 ein weitläufiges Trinkwasserversorgungssystem. Mithilfe des Baus einer Aufbereitungsanlage sowie Primär- und Sekundärnetzen sollen im Planungshorizont 2040 rund 90.000 Menschen durch aus dem Staudamm Kasseb aufbereitetes und verteiltes Trinkwasser versorgt werden. Um das Trinkwasserversorgungssystem auf alle Zielgemeinden auszuweiten, wird aktuell die zweite Phase des Vorhabens (Projektzeitraum 2025-2030) vorbereitet. Gemeinden, die nicht bereits in der ersten Projektphase an die Trinkwasserversorgung angeschlossen werden konnten, legen ihre Hoffnung nun in die Fortführung des Projekts. Eine im Vorfeld der zweiten Projektphase durchgeführte Zielgruppenbefragung reflektiert die weiterhin prekäre Situation vor Ort. Hier kommen Bewohner aus dem Gouvernorat Béja – vor allem Frauen – zu Wort:

Durch eine kontinuierliche und hygienisch einwandfreie Trinkwasserversorgung trägt das Vorhaben zur Verbesserung der Lebensbedingungen und sozioökonomischen Entwicklung der ländlichen Projektregionen bei. Hygienebedingungen werden verbessert, das Risiko von Wasserkrankheiten reduziert und der vor allem auf weiblichen Haushaltsmitgliedern lastende Druck des Wassermangels zukünftig gemindert.

Die Herausforderungen im Wassersektor bleiben jedoch weiterhin groß und benötigen auch zukünftig umfassende Investitionen, um ihnen zu begegnen und der Zielerreichung des SDG 6 ein Stück näher zu kommen.

SDG 6 – Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen